16.08.2019 | Gründerstories
Mein Umgang mit Ängsten von Gastautor Leon Bucher
"Was mache ich hier eigentlich? Wo soll das hinführen? Was mache ich, wenn das Ganze nicht funktioniert und ich ohne Geld und Job dastehe? Die gleichen Gedanken, immer und immer wieder." Und wenn das Gedankenkarussell einmal in Gang gesetzt wurde, ist es nicht mehr so leicht zu stoppen. Wie geht man damit um, wenn die Ängste einen zu übermannen drohen?
Montagmorgen in Frankfurt. Ich starte mit einem Besuch bei meinem Versicherungsmakler und einem Gespräch über notwendige Versicherungen und Vorsorge. Berufshaftpflicht und -unfähigkeit sind recht schnell geklärt. Altersvorsorge ist da schon etwas merkwürdiger für mich. Merkwürdig, mir aktiv Gedanken dazu machen zu müssen. „Du musst schauen, was du mit deinem Businessplan und Budget in eine Altersvorsorge investieren kannst und willst“, sagt er mir.
Danach fahre ich mit dem Fahrrad wieder nach Hause. Viele Gedanken begleiten mich noch während ich Frühstück mache. Meine Freundin muss einmal wieder eine meiner Panikattacken ertragen. „Was, wenn ich die ganzen zusätzlichen Versicherungen nicht bezahlen kann? Was, wenn all das Sparen für einen zweifelhaften Ruhestand mit 67 nicht reicht?“ In mir drehen sich schon wieder viel zu viele Gedanken und ein wenig tut sie mir leid, dass sie mir immer zuhören muss. Zusätzlich schleicht sich die leichte Panik ein, dass alle Aufträge wegbrechen und ich ohne abrechenbare Tage dastehe. In Summe sind es jetzt rund 25 Tage für drei Aufträge, mit denen ich geplant hatte, die mir kurzfristig abgesagt wurden.
So wie gestern zum Beispiel:
17:56 Uhr - Nachricht: „Bitte um Rückruf für kurzfristigen Einsatz.“
18:05 Uhr – Telefonat: „Kannst du dir bitte die nächsten Tage freihalten und ein Konzept visualisieren? Wir brauchen es dringend für die Entscheidung nächste Woche.“ Vorfreude auf das erste mögliche Geld.“
18:15 Uhr – Nachricht: „Rückfrage nach Details und Auftragsleiter über einen Kollegen in dem gleichen Projekt.“
18:15 Uhr – Nachricht: „Warte bitte einmal, ich kläre die Anfrage.“
18:30 Uhr – Telefonat: „Bitte alle Vorbereitungen auf Stopp. Das Thema ist wahrscheinlich nicht relevant, weitere Infos folgen.“
20:00 Uhr – Nachricht: „Anfrage hat sich erledigt.“
Da musste ich erstmal tief durchatmen. Wie immer kommt alles auf einmal, wenn die Gedankentür auf ist.
Was mache ich hier eigentlich? Wo soll das hinführen? Was mache ich, wenn das Ganze nicht funktioniert und ich ohne Geld und Job dastehe? Die gleichen Gedanken, immer und immer wieder.
So habe ich z. B. noch immer keine Steuernummer. Mein erster Auftrag ist zwar gelaufen, aber ich habe keine Möglichkeit, diesen abzurechnen. 4 Wochen seit ich meinen Antrag abgegeben habe. (Update: Ende der 5. Woche habe ich meine Steuernummer dann endlich bekommen.)
Ich lenke mich ab und gehe eine Runde laufen im Park. Hier in der Wohnung an meinem Rechner komme ich nicht aus diesem Gedankenkreisel heraus. Sich zwingen rauszugehen, etwas vollkommen anderes zu machen, durchzuatmen – das hilft eigentlich immer.
Und Gedanken lassen sich beim Laufen auch nochmal besser sortieren.
Alles geht insgesamt etwas langsamer, als ich dachte. Die Aufträge laufen nicht so schnell an wie versichert. Die deutsche Bürokratie bremst mich ebenfalls. Da fließen meine Ersparnisse sehr schnell dahin und es ist nicht so einfach, wenn plötzlich zwei Monate kein Geld da ist.
Zurück daheim versuche ich beim Abwasch gedanklich einen Plan zu machen und zu entscheiden. Drei bis vier Dinge festzulegen, die ich die kommenden zwei Tage schaffen will. Diese Methode hat mir in der Vergangenheit auch immer geholfen, aus den Gedanken herauszukommen und wieder aktiv zu werden.
„Don’t ever let thoughts and fears about money guide your way. Trust in the process, do your best and everything will follow.” Diesen Rat habe ich auf meiner Weltreise immer wieder bekommen. Jetzt muss ich ihm nur noch folgen.
Auch wenn es viel auf einmal ist – keine dieser Hürden habe ich in der Vergangenheit in meinen unterschiedlichen Jobs nicht auch schon bewältigt.
Nach dem Abwasch setze mich mit einer Tasse Kaffee hin und mache einen Plan für heute und morgen:
Nichts, was ich nicht lösen kann.
1. Feststellen, dass ich mich in dem Gedankenkreisel befinde: Das Wichtigste, um wieder das Geschehen aktiv in die eigene Hand zu nehmen und wissen, dass es wieder besser wird. Ich führe ein „Erkenntnisbüchlein“, in welches ich handschriftlich (wichtig!) Erkenntnisse, Erlebnisse und eigene Erfahrungen schreibe. Ich blättere durch und lese, was ich kann, wie gut es mir geht, wie schlecht es mir schon ging und dass es sicher wieder besser wird. In meiner eigenen Handschrift, so dass ich es nicht „ablehnen“ kann als „das hilft mir ja nicht“.
2. Ablenken und Energie ablassen oder neue schaffen: Aufstehen und aus der Situation ganz wörtlich herausgehen. Sport machen, spazieren gehen, Musik hören, Sonne spüren, einfache Standardtätigkeiten – alles was mir in dem Moment einfällt und was nicht schwierig oder komplett neu ist (damit ich nicht „scheitere“). Eine Zeit lang hatte ich hierfür in meinem Notizbuch und später im Handy immer eine kleine Liste mit leicht umsetzbaren Ideen dabei. Weil einem ja häufig in dem Moment nichts einfallen will, habe ich mir diese quasi schon vorbereitet.
Sobald es wieder besser geht:
1. Für optimistische Zeiten und Themen: Das positive Ziel visualisieren, das man erreichen will und sich darüber klar werden, warum man überhaupt diesen Weg eingeschlagen hat – und das so bildlich wie möglich. Anschließend die nächsten kleinen Schritte darauf hin erfassen - nicht alle Schritte planen, nur die unmittelbaren. So motiviere ich mich und mache gleichzeitig den Weg realistisch.
2. Für pessimistische Themen und Zeiten: Ich beantworte mir folgende Fragen:
Auch in dieser Situation habe ich anschließend einen Plan, den ich mit meinen Ressourcen lösen kann. Wichtig auch hier: Nicht alle Schritte komplett durchplanen, nur die nächsten greifbaren.
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